
Nachdem Einheiten der türkischen Armee und die mit ihnen verbündeten Oppositionskräfte (TFSA) die gesamte Region Afrin von den kurdischen Volksverteidigungseinheiten (YPG) bzw. der von den USA unterstützten Syrischen Demokratischen Kräfte (SDF) erobert haben, scheint das Interesse der türkischen Regierung auf weitere Gebiete zu fallen: Tel Rifaat und Manbij. Erstere Stadt befindet sich direkt östlich von Afrin und ist bis auf das verbundene Regierungsterritorium völlig isoliert. Manbij liegt westlich des Euphrats und war in der Vergangenheit immer wieder von kleineren Protesten der Regierungs- und Oppositionsanhängern gegen die SDF geprägt.
Der türkische Präsident Erdogan kündigte in einer Rede an, dass das nächste Ziel die Stadt Tel Rifaat sein würde, welche in Folge einer YPG-Militärkampagne gegen die Opposition im Jahre 2016 erobert wurde. Eigentlich soll man mit dieser geplanten Operation bereits vor Tagen begonnen haben, dennoch herrscht ein regelrechtes Rätselraten über den Ort. Während türkische Medien bereits am Dienstag behaupteten, die Stadt und umliegende Dörfer würden unter der Kontrolle der türkischen Streitkräfte liegen, veröffentlichte die syrische Nachrichtenagentur SANA Bilder, die die Präsenz von syrischen Milizionären in der Stadt belegen. Es ist nicht gänzlich geklärt ob es sich hierbei um Soldaten der Armee oder nur Kämpfern der mehrheitlich schiitischen Milizen handelt. Angeblich sollen diese Truppen eingerückt sein nachdem es zu keiner Einigung bei den Gesprächen zwischen der Türkei und Russland gekommen ist.

Bereits in der Vergangenheit gab es diverse Berichte über die Stationierung von russischen Spezialeinheiten und syrischen Soldaten in der Stadt, wofür es jedoch nie glaubwürdige Beweise gab. Bei Anbeginn der türkischen Offensive „Operation Olivenzweig“ solle man sich dann jedoch zurückgezogen haben um dann Monate später wiederzukehren. Zudem sollen umliegende Dörfer bis zum Menagh-Luftwaffenstützpunkt im Nordwesten unter die Kontrolle der syrischen Regierung fallen, was die Türkei in ihrem Ziel behindern würde, den „Terrorkorridor der PKK“ entlang der türkischen Grenze zu zerschlagen.
Derweil dauern einige sporadische Gefechte an den Außenbezirken des Kantons Afrin an, namentlich bei den Dörfern Aqibah, Jabul und Basselhaya. Dort haben inzwischen hauptsächlich schiitische Milizen aus den Nachbarstädten Nubl und Zaahra die Kämpfe übernommen, nachdem die TFSA umliegende Hügelketten dieser Städte sichern konnte. Angeblich kam es dabei auch zur Unterstützung von Artillerie der syrischen Armee. Insgesamt scheint aber eine faktische Waffenpause in Kraft getreten zu sein, derzeit warten alle Seiten auf ein Ende der Verhandlungen um Tel Rifaat.

Die Bedrohung einer türkischen Armeeoffensive gegen die von der SDF gehaltenen Stadt Manbij nimmt aufgrund neuer Bedrohungen durch Erdogan kontinuierlich zu. Während die Operation in Afrin „nur“ etwa zwei Monate andauerte, könnte sich bei Manbij eine völlig andere Situation entwickeln. Einerseits handelt es sich bei der Manbij-Region um weit ausgedehnte Felder im Gegensatz zum gebirgigen Afrin, andererseits können die Kurden dort zumindest momentan auf die Unterstützung der USA hoffen, während Afrin im Einflussgebiet Russlands und der syrischen Regierung lag. Die amerikanische Regierung hat bisher angekündigt keine US-Soldaten aus Manbij abzuziehen, ein Schutz unter der Schirmherrschaft des Westens ist also bis zum aktuellen Zeitpunkt sicher. Hier hängt die Situation also vor allem von der USA ab, in der Vergangenheit kein optimistischer Gedanke für die Kurden. Angeblich erklärte die Türkei bereits die Region um Manbij zu einer militärischen Zone.
Nach dem militärischen Erfolg in Afrin verfügt die Türkei über große Ambitionen in Syrien, entlang der gesamten syrisch-türkischen Grenze kontrolliert die mehrheitlich aus den kurdischen Volksverteidigungseinheiten bestehende SDF, die von der Türkei als terroristisch eingestuft wird, weitreichende Territorien. Abhängig vom Willen der USA und der Unterstützung der aufgekauften „Rebellen“ versucht die Türkei ihren Einfluss im Nachbarland nach der Niederlage der syrischen „Revolution“ zu retten und ihren Erzfeind, die PKK, zu eliminieren. Für dieses Ziel kennt die Türkei keine Landesgrenzen.