Die große Plünderung von Afrin

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Nach der Einnahme der einst 100.000 Einwohner zählenden kurdischen Stadt Afrin in der gleichnamigen Region im Nordwesten Syriens begannen die mit den türkischen Streitkräften verbündeten Oppositionsgruppierungen und Islamisten (TFSA) mit der Plünderung und Zerstörung der inzwischen fast gänzlich verlassenen Stadt. Dieses Brandschatzen betrifft nicht nur die Institutionen der kurdischen Volksverteidigungseinheiten (YPG), sondern macht auch vor einfachen Wohnhäusern und den letzten verbleibenden Zivilisten nicht Halt. Diese sind nun der Willkür ihrer neuen Besetzungsmacht ausgesetzt und die Türkei verfügt nur begrenzt über die nötigen Kapazitäten, ihrer eigens eingesetzten Söldner Herr zu werden.

Bewohner beschreiben dabei die Skrupellosigkeit und Korruption der Islamisten, die vor allem nach Lebensmitteln, technischen Geräten, Möbeln und Fahrzeugen Ausschau halten. Ein Zivilist berichtet von der Androhung von Gewalt, sollte er nicht sein Motorrad und Handy abgeben. Besonders beliebt sind auch kleine Traktoren, die bereits seit Anbeginn der Operation von der Zivilbevölkerung „beschlagnahmt“ wurden, teilweise wurde zuvor auch die unwilligen Besitzer dafür getötet. Manche beschreiben ironischerweise die Diebstähle als größere Zerstörung im Vergleich zu dem, was die Kämpfe verursacht hätten.

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Überreste von Kawa dem Schmied

Im Stadtzentrum wurde derweil eine Statue vom Schmied Kawa Ahangar niedergerissen, eine wichtige Figur in der kurdisch-persischen Mythologie. Bei ihm handelt es sich symbolisch um eine Verkörperung des Widerstandes, vor allem gegen die Tyrannei und Unterdrückung durch fremde Invasoren, dementsprechend ironisch ist ihre Zerstörung. Hierbei handelt es sich um einen klaren Beweis der wirklichen Zielverfolgung der Opposition: Nicht die Vernichtung der „terroristischen YPG/PKK“ ist das Ziel, sondern die Zerstörung kurdischer Kulturgüter. Wahrscheinlich wurde die Statue unter dem Vorwand der „falschen Idolsanbetung“ demoliert, eine Legitimation die an die Praktiken des Islamischen Staates erinnern.

Die Türkei bemüht sich darum diese Söldner unter ihre Kontrolle zu bringen und den Narrativ einer „sauberen Operation“ aufrechtzuerhalten, was aber ernsthafte Probleme verursacht. Die türkische Regierung hat von der Festnahme von bisher etwa 100 TFSA-Kämpfer berichtet, die sich an den Plünderungen beteiligt haben. Die Geschichte des syrischen Konfliktes zeigt aber wie bedeutungslos derartige Angaben sind un die meisten Personen ohne Konsequenzen davonkommen. Der Operationsraum der Offensive „Olivenzweig“ hat ähnliche Schritte angekündigt aber noch nicht durchgesetzt.

Außerdem wurde inzwischen die Präsenz von Truppen islamistisch-dschihadistischer Gruppierungen bestätigt, darunter befinden sich namentlich berühmtere Rebellen wie „Ahrar al-Sham“ oder Nour al-Din al-Zenki. Letztere galt bis in das Jahr 2015 als „moderat“ und wurde von den USA aktiv mit Panzerabwehrwaffen unterstützt, erlangte aber durch Verbrechen traurige Berühmtheit. Bei der Schlacht um Ost-Aleppo enthaupteten sie lebendig ein palästinensisches Kind, welches sich nahe den Frontlinien befand. Ahrar al-Sham hingegen besitzt intensive Beziehungen mit al-Qaida. Der ehemalige Anführer Hassan Aboud nannte im Jahre 2013 Tahrir al-Sham (damals Jabhat al-Nusra) und den Islamischen Staat trotz ideologischer Verschiedenheiten als wichtige Partner mit dem gleichen Ziel, lediglich die „Taktiken und Methoden“ würden sich unterscheiden. Ein weiterer Mitbegründer war Abu Khalid al-Suri, damals noch der offizielle Repräsentant von al-Qaida in Syrien. Er ist ein Veteran aus Afghanistan und  ein Verbündeter von Osama bin Laden und seinem Nachfolger al-Zawahiri.

Die Mehrheit der Aufständischen stammt aber tatsächlich aus den letzten Überbleibseln der „Freien Syrischen Armee“, befinden sich aber seit der Operation „Euphrates Shield“ unter der vollständigen Kontrolle der Türkei und leben eher als Stellvertreter und Söldner für die türkische Regierung als tatsächliche Revolutionäre Syriens. Keine Ideologie bindet diese Kämpfer, einzig allein das Geld und weitere Absicherungen, bereitgestellt von der Türkei, tun dies. Umso weniger verwundert sollte man über das Geschehen in Afrin sein, welches derzeit andauert.

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