Islamischen bekämpfen sich in Idlib weiter

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Panzer von Tahrir al-Sham wird von Idlib nach Binnish transportiert

Seit über einer Woche kommt es in der nordwestlichen Provinz Idlib zu brutalen Gefechten zwischen zwei Oppositionsbündnissen, die gegenseitig um Macht und Einfluss in der Region buhlen. Involviert in den Kämpfen sind Hayat Tahrir al-Sham (HTS), die dominierende Gruppierung innerhalb der Opposition und ehemals bekannt unter den Namen von Jabhat Fateh al-Sham und Jabhat al-Nusra, dem syrische Ableger von al-Qaida. Auf der anderen Seite befindet sich das neu gebildete Bündnis mit dem Namen „Jabhat Tahrir Souriya“ (JTS), welches aus Ahrar al-Sham und Harakat Nour al-Din al-Zenki besteht. Letztere wurde bis mindestens 2015 von den USA aktiv mit Panzerabwehrwaffen unterstützt und ist vor allem dafür bekannt, in Aleppo ein Kind lebendig geköpft zu haben. Al-Zenki nahm eine wichtige Position bei den Kämpfen um Aleppo ein, verschwand danach aber in die Irrelevanz. Relativ zeitgleich mit der Umbenennung von al-Nusra in Fateh al-Sham schlossen sich die übrig gebliebenen Kämpfer lose Tahrir al-Sham an, doch trennten sich aufgrund interner Dispute wieder.

Der Eroberungsfeldzug von Jabhat Tahrir Souriya ist bisher ungebrochen und äußerst erfolgreich. Besonders im Norden und Süden von Idlib konnte das Bündnis mehrere Städte sichern, darunter strategisch wichtige Orte wie Darat Izza, Hash, Sahayn, Maahran al-Numan, al-Qah und Viele mehr. Dadurch konnte JTS ein weit vernetztes Gebiet in ganz Idlib für sich sichern und wichtige Versorgungsstraßen nach Ost-Idlib kappen, jenes Gebiet welches sich immer noch größtenteils unter der Kontrolle von Tahrir al-Sham befindet. Das neu gegründete Bündnis kann dabei auf die Unterstützung andere oppositioneller Gruppierungen und auf die türkische Regierung zählen, die ein Interesse an der Zerstörung von HTS besitzen.

Dennoch scheint sich die Situation wieder langsam zugunsten von Tahrir al-Sham zu wenden. Donnerstag startete HTS mehrere Gegenangriffe nahe der Stadt Maaran Misrin nur wenige Kilometer nördlich der Provinzhauptstadt Idlib entfernt, welches mit der Wiedereroberung der Stadt endete. Bei diesem Sieg wurden mehrere Kämpfer von Ahrar al-Sham gefangen genommen und Militärfahrzeuge zerstört. Dabei wurden auch nach längerer Zeit wieder Selbstmordattentäter auf feindliche Verteidigungspositionen eingesetzt. Zuvor schien sich HTS aus vielen Gebieten (darunter auch die Stadt Idlib) zurückzuziehen um seine Streitkräfte bei dem Latakia-Gebirge an der türkischen Grenze zu konzentrieren und daraufhin in voller Kampfkraft zurückzuschlagen.

Zudem sind unzählige Ortschaften entlang dem syrisch-türkischen Grenzgebiet unter die Kontrolle von Tahrir al-Sham gefallen, wodurch die Unterstützung der türkischen Regierung für Jabhat Tahrir Souriya zumindest erschwert wird. Einige Tage zuvor konnten die Islamisten enorme Mengen an Kriegsgerät erbeuten, wobei es sich um Dutzende ausrangierte Panzer handelt, die kaum funktionsfähig sind und deswegen auf einen „Schrottplatz“ gebracht wurden.

Außerdem haben sich einige al-Qaida-Mitglieder von Tahrir al-Sham abgespalten und die Gruppierung „Tanzim Hurraz al-Din“ gegründet. Sie besteht aus bekannten, mit al-Qaida verbündeten, Gruppen wie Jund al-Malahim, Jaysh al-Sahl oder Jaysh al-Badiya. Sie folgt damit dem derzeitigen Trend, wo sich mehrere Brigaden von Tahrir al-Sham trennen und daraufhin meistens zu Jabhat Tahrir Souryiah desertieren oder in die Türkei fliehen.

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Derzeitige Situation in Idlib: Dunkelgrün ist das Kontrollgebiet von Tahrir al-Sham, Hellgrün jenes von Jabhat Tahrir Souriya

Die Bereitschaft von Hayat Tahrir al-Sham, selbst größere und strategisch wichtige Städte aufzugeben ist ein Indikator dafür, dass HTS weniger an der territorialen Kontrolle und dem damit verbundenen Prestige interessiert ist, sondern hierbei vor allem langfristige Ziele (und das Überleben) verfolgt. Wozu einen ohnehin verlorenen Kampf führen, wenn man dabei seine eigene Kampfkraft wahren kann? Die Rückeroberung des türkischen Grenzgebietes und dem Grenzübergang bei Atmeh zeigt, dass man sich bevorzugt auf die Eroberung von wichtigen Territorien konzentriert, die langfristig zum Vorteil ausfallen werden. Damit existiert ein enormer Unterschied zum Islamischen Staat, der damals um jede Stadt hart gekämpft hat.

Bisher ähnelt dieser Konflikt den vorangegangenen oppositionsinternen Kämpfen wie beispielsweise zuletzt im November 2017: Durch eine neu entstandene Waffenruhe mit der syrischen Regierung bzw. Armee gibt es keinen äußeren Feind mehr, der die eigentlich zerstrittenen Parteien vereint. Tahrir al-Sham wird daraufhin zunächst von einer Blitzoffensive überrascht und muss innerhalb weniger Tage enorme Verluste einbüßen. Daraufhin kann Tahrir aber seine Kräfte konsolidieren und mit einem Gegenangriff antworten, der den Gegner meistens enorm geschwächt zurücklässt, so wie es mit Ahrar al-Sham im Juli 2017 geschehen ist. In diesem Falle wirkt aber die außergewöhnliche Dynamik vom Einfluss der Türkei mit, die natürlich Jabhat Tahrir Souriya lieber in einer Machtposition in Idlib sehen wollen, da sie wesentlich einfacher als „moderat“ verkauft werden können und auch eher auf die Türkei hören würden. Es bleibt abzuwarten wie sehr die Türkei willens ist Tahrir Souriya zu unterstützen, um an Einfluss in Idlib zu gewinnen.

 

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