
Seit einer Woche dauern nun die türkische Operation „Olivenzweig“ in Syrien an, wo die türkische Armee mit verbündeten Oppositionsgruppen (TFSA) gegen die kurdischen Volksverteidigungseinheiten (YPG) bzw. amerikanisch unterstützten Syrischen Demokratischen Kräfte (SDF) vorgeht und dabei versucht, die Kurden aus der syrisch-türkischen Grenzregion zu vertreiben. Nach einer Woche scheint sich die Situation festgefahren zu haben, die türkische Armee konnte lediglich Dörfer im einstelligen Zahlenbereich erobern. Ihre Verbündeten geben dem Wetter die Schuld und nicht mal annähernd wurden die geplanten Ziele erreicht.
Am Samstag konnten türkische Streitkräfte zwei neue Punkte in Afrin erobern, das Dorf Ali Biski und der Hügel „740“, wobei laut oppositionellen Angaben ein Trainingslager geräumt und auch mehrere YPG-Kämpfer getötet und gefangen genommen wurden. Beide Orte liegen in der Nähe der strategisch wichtigen Stadt Rajo, etwa vier Kilometer von der türkischen Grenze entfernt. Damit bestätigt sich erneut der Trend der letzten Tage und Wochen, wo die türkische Armee nur noch in der Nähe von Rajo neue Gebiete erobern konnte, während an den weiteren Fronten die Waffen schweigen und/oder alle Angriffe erfolgreich von den Kurden abgewehrt werden konnten.
Kämpfer der TFSA machen für das bisherige Versagen vor allem das Terrain, das Wetter und die schlechte Koordination mit der Türkei dafür verantwortlich. Denn in den letzten Tagen gab es starke Regenfälle und Nebel, die die Nutzung von Militärfahrzeugen im Schlamm nahezu unmöglich machten. Zudem sollen sie die ganze Nacht ohne Schutz in diesem Regen ausharrt haben, auch soll es wenig Essen gegeben haben. Ob diese Angaben wahr sind sind ist schwer zu beantworten, es wäre nicht das erste Mal, dass die Opposition sich einen fremden Buhmann für ihre eigenes Versagen sucht.
In einem veröffentlichten Video in Ali Biski wurde ein gefangener YPG-Kämpfer gezeigt, welcher von türkischen Soldaten und TFSA-Kämpfern verhört wurde. Die Rebellen drangsalierten ihn regelrecht, während die Spezialeinheiten ihn sicher aus der Menge herausgeleiten wollten. Hier zeigt sich der Kontrast zwischen einer gekauften Miliz/Söldnern der syrischen Opposition und einer Armee. Es bleibt fraglich, welchen Umgang diese Aufständischen dann mit den Zivilisten in den eroberten Dörfern pflegen würden, wären türkische Streitkräfte nicht anwesend.

Fernab der Frontlinien zerstörte die türkische Luftwaffe einen antiken Tempel der Aramäer. Diese Tempelanlagen bei der hethitischen Stadt Kinalau war der Göttin Ishtar (einem Berggott Nordsyriens) gewidmet und galt als einzigartiges Bauwerk der Hethiter. Der Ort heißt heute Ain Dara und befindet sich südlich der Stadt Afrin.
In einem außergewöhnlichen Fall setzten die Volksverteidigungseinheiten eine Selbstmordattentäterin gegen vorrückende türkische Truppen in Afrin ein. Bei dieser Person handelt es sich um die Frau Avesta Khabur, Mitglied der Frauenverteidigungseinheiten (YPJ), eine Sektion der YPG. Die genauen Umstände sind bisher ungeklärt, das Ereignis geschah in der Nähe des Dorfes Hemam an der syrisch-türkischen Grenze. Dabei wurde kurdischen Angaben zufolge wurde dabei ein türkischer Panzer erfolgreich zerstört. Der Einsatz von (weiblichen) Selbstmordattentätern ist nichts ungewöhnliches im Nahen Osten oder für die „Union der Gemeinschaften Kurdistans“ (KCK), wo die PKK und YPG/YPJ Teil von sind. Womöglich handelt es sich nicht um einen „regulären“, geplanten Einsatz wie es bei den islamistischen Fraktionen mithilfe von Autobomben (SVBIED) geschieht, sondern sie versuchte durch Suizid einer Gefangenschaft zu entgehen.
Das türkische Verteidigungsministerium veröffentlichte neue Statistiken zur Operation „Olivenzweig“. Demnach wurden in den vergangenen Tagen zwei türkische Soldaten getötet und elf Weitere verletzt. Das sind nun nach einer Woche fünf Soldaten, die umgebracht wurden. Möglicherweise besteht bei diesen neuen Toten ein Zusammenhang zum Selbstmordangriff. Weitere Zahlen sprechen von 450 „neutralisierten PKK-Kämpfern“ und 42 neuen Luftschlägen am Samstag.
Beide Seiten kompensieren die Verluste mit dem Erreichen neuer Einheiten und Gruppierungen aus ihren Heimatregionen. In den letzten Tagen und Wochen wurden immer mehr türkische Spezialeinheiten in der Nähe der syrischen Grenze gesichtet, die mithilfe von Transportflugzeugen ihr Ziel erreichten. Darunter befindet sich beispielsweise das 56. Regiment „Bingöl“, welches bereits in der Vergangenheit erfolgreich gegen die PKK in der Türkei operieren konnte. Ihre Erfahrung im gebirgigen Terrain wird in den Bergregionen von Afrin sehr hilfreich sein. Die YPG/SDF hingegen erhielt von Nordostsyrien reguläre Unterstützung und auch internationale, kommunistische Kampfverbände. Die Einheiten nutzten das syrische Regierungsterritorium im Norden der Provinz Aleppo, welches Afrin und das restliche Gebiet der SDF miteinander verbindet. Es stellt den einzigen Weg zu Afrin dar, die restlichen Gebiete werden von der Türkei oder mit ihnen verbündeten Gruppierungen kontrolliert.
Einen Großteil der Vorstöße übernehmen syrische Rebellen, die vor allem aus den Gebieten in Nord-Aleppo rekrutiert wurden. Darunter befinden sich islamistische bis moderatere Kräfte, die dortigen Interessengruppen eint aber vor allem die Korruption und die türkische Finanzierung. Namhafte Gruppierungen sind beispielsweise Sultan Murad, Hamza Division, Faylaq al-Sham oder Jaish al-Nokhba. Interessanterweise veröffentlichte Tahrir al-Sham (ehemals bekannt unter den Namen Jabhat Fateh al-Sham und al-Nusra, syrischer al-Qaida-Ableger) am Mittwoch ebenfalls ein Statement, wo sie ihre Beteiligung bestätigten. Demnach soll Tahrir al-Sham zwei Orte bei Qal’at Sam’an von der YPG wiedererobert haben, nachdem diese eine Offensive gestartet haben.
Veröffentlichte Bilder zeigen aber auch involvierte Spezialeinheiten der türkischen Streitkräfte und weitere Divisionen, die die Aufklärungsarbeit, Artillerie und Panzer übernehmen. Wie bereits bei der Operation „Euphrates Shield“ sind deutsche Leopard A2-Panzer an der Offensive beteiligt. Der Islamische Staat konnte dabei erfolgreich zwei Panzer dieses Typs erbeuten und später zerstören. Am ersten Tag wurde durch eine abgefeuerte Panzerabwehrwaffe ebenfalls ein Leopard-Panzer leicht beschädigt. Ansonsten sind lediglich einige von der Türkei spendierte Militärfahrzeuge wie der Panthera F9 oder ACV-15 auffällig, die bereits fernab den Kämpfen in Afrin gegen die syrische Armee verwendet wurden.