Im Südjemen entsteht eine neue Unabhängigkeitsbewegung

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Wenige Tage vor dem 27. Jahrestag der Vereinigung des Jemens gibt es auf dem Freiheitsplatz in der provisorischen Hauptstadt Aden (die ursprüngliche Stadt Sana’a befindet sich weiterhin fest in der Hand der Houthis) eine große Demonstration. Aber nicht um die Symbolik dieses Tages zu feiern, sondern für eine neue, unabhängige Regierung im Süden des Landes. Lokale Medien beschrieben die Proteste als „die größten in der Geschichte der Stadt“. Es kommt auch zu Gewalt, viele Plakate mit dem Abbild des eigentlichen Präsidenten Jemens Abedrabbo Mansour Hadi wurden verbrannt.

Stein des Anstoßes war die Entlassung des populären Gouverneurs von Aden, Aidarous al-Zubaidi und des Kabinettsministers Hani bin Braik. Sie wurden vom Präsidenten nach ständigen Zerwürfnissen gekündigt, einem Präsidenten der seine meiste Zeit in Saudi-Arabien verbringt und schon ein Großteil seines Landes gegen die Houthis und ehemalige Saleh-Regierung im Norden und gegen al-Qaida im Osten verloren hat. Neben dem bereits erwähnten Grund fühlt sich der Süden des Landes systematisch vom Norden ausgebeutet und marginalisiert, wie Hisham al-Omeisy sagte. „Das Saleh-Regime und die heutigen, alten Eliten der Hadi-Regierung hatten sich nie für die Interessen der Bevölkerung des Südens interessiert“, fügte er hinzu. Hadi selber ist Mitglied dieser „Politischen Elite des Nordens“, obwohl er selber aus dem Süden stammt. Er war bereits unter Saleh Vizepräsident und treues Parteimitglied bis 2011, insofern wird er als Teil des „Saleh-Regimes“ gesehen.

Nur eine Woche später kündigte Zubaidi als Reaktion auf die Entlassung und die daraus resultierenden Proteste die Formierung eines „Politischen Übergangsrates“ an. Der Rat besteht aus 26 Mitgliedern, darunter Zubaidi als Vorsitzenden und Braik als Vizepräsidenten. Inzwischen genießt der Rat Anerkennung in den Provinzen Hadramout, Shabwa, Lahj, und Socotra, gefolgt von weiteren politischen Persönlichkeiten und Stammesführern, darunter Personen wie z.B. Sheikh Ali Mohsen Al-Sulaymani oder Nabil Al-Mashoushi.

Somit ist vor allem eine Fraktion der eindeutige Verlierer dieser Geschehnisse: die Hadi-Regierung. Nicht nur verliert er damit fast vollständig die Kontrolle über die relevanten Gebiete „seines“ Landes, sondern auch jegliche politische Legitimität. Was ein Eindruck macht ein Präsident, der immer mehr Zeit im Exil von Saudi-Arabien verbringt? Besonders ist der Süden geprägt von fruchtbaren Boden und reich an Rohstoffen, besonders Gas und Öl. Die stärksten und effektivsten Einheiten und Milizen stammen aus der Region um Aden, auf welche Streitkraft kann Hadi danach noch zurückgreifen, um effektiv die Houthis und weitere „Terroristen“ zu bekämpfen? Weiterhin ausländische Mächte wie Saudi-Arabien oder Sudan für die eigenen, nicht mehr von der Bevölkerung legitimierten und unterstützten Interessen kämpfen zu lassen wird dem Jemen nicht helfen.

Die Unabhängigkeitsbewegung bedeutet nämlich auch für internationale Partner Probleme: Die internationale Koalition unter der Führung von Saudi-Arabien machte mehrmals deutlich, dass nur die Hadi-Regierung die einzig anerkannte und offizielle Regierungsautorität im Jemen sein kann und man deshalb mit ihr aktiv im Kampf gegen den „Terrorismus“ arbeite. Diese Autorität würde ein Südjemen herausfordern, dennoch finden vor allem die Vereinigten Arabischen Emirate – Mitglied in der internationalen Koalition – Gefallen an der Unterstützung dieser Bewegung. Der Übergangsrat selber machte deutlich, dass man dazu bereit ist, weiterhin mit der Koalition gegen den Terrorismus zu kämpfen. Zubaidi selber war bereits zu „Staatsbesuchen“ in Saudi-Arabien und den VAE.

1990 vereinigte sich die Demokratische Volksrepublik Jemen (Südjemen) und Jemenitische Arabische Republik (Nordjemen) zur heutigen Republik Jemen. Dies geschah in erster Linie unter der Führung des Präsidenten von Nordjemen Ali Abdullah Saleh, weshalb bis heute die politischen Eliten aus dem Norden kommen oder zumindest Verbindungen zu ihnen aufweist. Die Vereinigung geschah zu Beginn unter der Hoffnung, auch zwei relativ verschiedene Länder, deren Kulturen, Ressourcen und Menschen zu vereinen.  Doch bald kam es zur Ernüchterung, der Süden fühlte sich hintergangen und es kam 1994 zum Bürgerkrieg. Südjemen verlor jedoch den Konflikt und alle Hoffnungen auf ein föderalistisches System wurden aufgegeben. 2007 gab es zuletzt eine größere Unabhängigkeitsbewegung des Südens, die Hirak-Bewegung die kurz darauf brutal von der Saleh-Regierung niedergeschlagen wurde. Seitdem gab es immer wieder kleinere Proteste, letzten Endes führte die Entlassung von Zubaidi aber erst zur größeren Massenbewegung in Aden.

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